Ärztemangel oder Arztzeit-Mangel - die Herausforderungen unseres Gesundheitssystems
5 Minus - En podkast av Dr. Laura Dalhaus

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Haben wir wirklich einen Ärztemangel – oder liegt das eigentliche Problem in einem Mangel an Arztzeit? Darüber spricht Dr. Laura Dalhaus in der neuen Folge von “5 Minus - Das Gesundheitssystem verfehlt das Klassenziel”.Die Zahlen zeigen nämlich ein Paradox: Während immer mehr Ärzt:innen in Deutschland arbeiten – 1990 waren es noch 237.000, 2023 bereits 428.000 – haben Patient:innen trotzdem das Gefühl, schlechter versorgt zu werden. Der Grund? Die verfügbare Arztzeit pro Patient:in schrumpft. Schuld daran sind unter anderem die zunehmende Bürokratie, die immer stärkere Spezialisierung, veränderte Arbeitsmodelle und eine vollkommen veraltete Bedarfsplanung.Ein zentraler Faktor ist die immense bürokratische Belastung. Ein niedergelassener Arzt verbringt rein rechnerisch 60 volle Arbeitstage pro Jahr nur mit Papierkram – das sind Anfragen von Krankenkassen, Versicherungen und dem Medizinischen Dienst. Krankenhausärzt:innen verbringen mehr Zeit mit Dokumentation als mit Patient:innen. Kolleg:innen aus der Inneren Medizin fühlen sich oft wie medizinische Sekretäre statt wie Ärzt:innen. Obwohl die Politik seit 2013 verspricht, Bürokratie abzubauen, ist der Bürokratieindex seitdem gestiegen.Auch die fortschreitende Spezialisierung trägt zum Problem bei. Früher deckte ein Internist ein breites Spektrum an Krankheiten ab – heute gibt es allein in der Inneren Medizin elf verschiedene Fachrichtungen. Ein Kardiologe kann heute sagen: „Ich bin nicht für das ganze Herz zuständig – ich bin Rhythmologe.“ Orthopäden operieren manchmal nur noch Knie oder nur noch Schultern. Das mag medizinisch sinnvoll sein, führt aber dazu, dass Patient:innen immer mehr Zeit damit verbringen, den richtigen Spezialisten zu finden.Zusätzlich gibt es ein massives Stadt-Land-Gefälle. Während in Großstädten Praxen oft dicht beieinander liegen, gibt es in ländlichen Regionen kaum Ärzt:innen. Das Problem: Privat tätige Mediziner:innen unterliegen keiner Bedarfsplanung – sie können problemlos eine weitere Praxis in München oder Hamburg aufmachen, während auf dem Land keine ärztliche Versorgung mehr vorhanden ist.Ein weiterer entscheidender Faktor ist der steigende Frauenanteil in der Medizin. Medizinstudienplätze werden fast ausschließlich nach Abiturnote vergeben, wodurch Frauen überproportional oft einen Platz bekommen. Gleichzeitig führen Schwangerschaften und Elternzeiten zu mehr Ausfällen, und viele Ärztinnen entscheiden sich für Teilzeitmodelle. Das bedeutet, dass insgesamt mehr Köpfe nötig sind, um die gleiche Anzahl an Arztstunden abzudecken.Auch das Arbeitszeitgesetz hat große Auswirkungen. Während früher 24- oder sogar 36-Stunden-Schichten üblich waren, gibt es heute strengere Regeln – was gut ist, aber dazu führt, dass mehr Ärzt:innen gebraucht werden, um die gleiche Versorgung sicherzustellen. Das Problem: Die Arbeitsintensität in kürzeren Schichten ist gestiegen. Viele Krankenhäuser umgehen die Gesetze, indem sie „Bereitschaftsdienste“ anstelle echter Arbeitszeiten deklarieren – wodurch Ärzt:innen trotzdem volle Schichten arbeiten müssen.Ein noch größeres Problem ist die veraltete Bedarfsplanung, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) erstellt wird. Die Zahlen sind oft nicht aktuell – auf den Listen stehen Ärzt:innen, die längst in Rente sind oder deren Praxen seit Jahren geschlossen sind. Außerdem berücksichtigt die Bedarfsplanung nur die Anzahl der Einwohner, nicht aber die veränderten medizinischen Bedürfnisse. Patient:innen werden immer älter und haben mehr chronische Krankheiten, was mehr Arztzeit erfordert – doch in den Berechnungen taucht das nicht auf.Ein weiterer alarmierender Punkt: 140.000 Ärzt:innen arbeiten mittlerweile außerhalb der kurativen Medizin – in Unternehmensberatung, Pharma, Journalismus oder Gesundheitsmanagement. 1990 waren es noch weniger als 20 %, heute sind es über 25 %. Das bedeutet, dass immer mehr Ärzt:innen das System verlassen, weil die...